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Etwas ruhiger werden

Manchmal wird ein Vergleich gezogen, dass gesellschaftlich genormte Beziehungsformen ‚die breiten, ausgetretenen Wege und Strassen‘ durch den Dschungel darstellen. Und alternative Beziehungsformen ‚bewegen sich etwas ausserhalb, auf kleinen Trampelpfaden‘.

Ich würde diese Trampelpfade gerne noch mit ergänzen mit ‚rutschigen Steinen und plötzlich auftretenden Schluchten die man herunterfällt, Platzregen der innert kurzer Zeit reissende Bäche verursacht und funkelnde Augenpaare im Dickicht der Nacht durch die man sich ständig beobachtet fühlt. Aber die Aussicht zwischendurch ist nett.‘

Hand auf’s Herz: Natürlich ist’s die Mühe wert und Beziehungen sind auch immer emotionale Arbeit. Der Trampelpfad ist bewusst gewählt und wird von mir mit Zuversicht und Verantwortung tapfer beschritten. Trotzdem ertappe ich mich immer mal wieder, dass ich mir etwas Ruhe und Ordnung wünsche, in meinem ganz persönlichen Beziehungsdschungel.

So ist vielleicht die Beziehung zu M. gerade etwas herausfordernd, während die Beziehung mit F. aktuell leicht fällt und zunehmend Raum einnimmt. Wie teile ich nun meine Zeit ein, dass ich meine Grenzen achte und zugleich meine Verantwortung als emotional verfügbare Bindungsperson wahrnehmen kann? Oder P. wünscht sich schon lange etwas mehr Zeit mit mir, aber ich möchte eigentlich endlich mal wieder etwas Zeit für mich einplanen. Inwiefern bin ich bereit klare Ansagen zu machen?

Und dann frage ich mich jeweils, bin ich wirklich von so einem undurchdringlichen, unvorhersehbaren Dschungel umgeben, oder ist dieser am Ende in mir selber drin?

Denn, fun-fact, ich fühle mich nicht selten mit alltäglichen Entscheidungen überfordert. Gebe ich mich einem Impuls hin oder halte ich mich zurück? Wieviel Raum gebe ich meinen Bedürfnissen – und zu welchem Preis? Handle ich gerade aus Angst, Lust, Neugierde, Langeweile, allem zusammen oder nichts dergleichen? Wo bin ich kompromissbereit und wo habe ich Grenzen?

Da wird mir dann oft wieder klarer, dass die vermeintlichen Herausforderungen die ich im Aussen festmache, eigentlich in mir drin sind. Denn wo ein Weg fehlt bin ich fortlaufend konfrontiert mich zu fragen in welche Richtung ich gehen will – und wie ich dabei die Balance zum Laufen halten kann. Und das sind dann eben diese kleinen Alltagsfragen die ich zuerst für mich selber beantworten muss. Wieviel Zeit brauche ich für mich selbst? Welche Werte sind mir wichtig? Wie sieht ein Beziehungssystem aus, welches meinen Bedürfnissen gerecht ist – und welchem ich auch gerecht werden kann? Welche Dinge möchte ich geklärt haben und welche kann ich spontan regulieren?

Denn wenn ich in mir drin klar bin, dann fällt es mir leicht die eigene Antwort auf eine Frage zu zücken die von aussen gestellt wird. Ist dies nicht der Fall, geht die innere Diskussion im Dschungel jedesmal wieder von vorne los.

Also hinsetzen, Gedanken ordnen, eine kleine Dschungelkarte zeichnen – und dann aber auch dran halten beim loslaufen.

Erfahrungsberichte, Unterhaltung


Marc

Hat das Buch ‚ethical slut‘ gelesen und ist seither Feuer und Flamme für Polyamorie. Er greift nach den Sternen und will mutig seinen Weg finden. Freude im Leben reicht ihm nicht, er will Euphorie. Hat vermutlich ein ADHS, aber mag sich eigentlich so.